5. Unauslöschliche Erinnerung

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Hammthal trat durch dasselbe Tor, durch das er eben gegangen war. Eben? War es eben? Oder...

"So lange war es tatsächlich nicht", bestätigte Hammthal meine Gedanken. "Ich hätte dir gern mehr Zeit gelassen, Valentin."

"Zeit ... kennt keine Freunde."

"Schön gesagt, also woran kannst du dich erinnern? Denk es", drängte er zur Eile.

Die Flammen. Die schwarzen Flammen haben meinen Verstand verbrannt.

"So kann man es ausdrücken. Hier oben war die Hölle los", sagte Hammthal und tippte sich an die Schläfe.

Ich schloss meine Augen. Der Zug der Ketten an den Bolzen und der damit einhergehende stechende Schmerz füllte mich aus. Es gab kein gedankliches Entkommen mehr.

"Valentin." Hammthal schnipste in die Luft und eiskalte Luft holte mich zurück.

Ich kann nur erahnen, wie weit mein Körper von den schwarzen Flammen zerstört wurde. Bevor die Flammen eindringen konnten ... schloss ich mich ein. Wieder. Ein weiteres Mal warf ich mich in ein Verlies.

"..."

Du scheinst dich gut in meinem Körper, mit meinem Körper, zu schlagen.

Hammthal legte sein Kopf leicht zur Seite. Seine Augenlider verengten sich, als er mich fokussierte. Schwarze, dickflüssige Tropfen trafen meinen Hinterkopf und meine Schultern. Der Zug der Ketten verschärfte sich schlagartig. Ein unangenehmes Knacken folgte. Ob es von den Ketten oder meinen Knochen kam, vermochte ich nicht mehr zu unterscheiden.

Vielleicht hattest du damals recht. Vielleicht bin ich ein von Zorn geblendetes Monster. Ich reiße meine Mitmenschen schließlich in den ...

*KLACK*, unterbrach Hammthal meinen Gedankengang mit seinem Gehstock.

Aus den Tropfen war ein zähflüssiger Faden geworden, der von der endlosen Schwärze über mir nach mir zu greifen schien. Große Teile meines Körpers färbten sich bereits in ein verdorbenes Schwarz.

Fremde Worte drangen durch die offene Tür des Verlieses. "Herr Thal, wie Sie verstehen, muss der Hohe Rat zu dieser Sache Stellung nehmen. Verantwortung für den Tod unserer Korrektoren muss getragen werden. Die Gesetze zum Schutze unserer aufgeklärten Nation verlangen es und das Volk verdient es. Nicht zuletzt auch die Hinterbliebenen." Luther Theobald, der Vorsitzende des Hohen Rats, hielt inne. Seine Pflicht verlangte von ihm Neutralität, eine ruhige Hand für die Geschicke der Wissenschaftler in Sarkorska. Er rang sichtlich mit dem inhärenten Widerspruch dieser einseitigen Anhörung.

"Herr Thal? Herrrrr Thaaaal?", mischte sich ein anderes Mitglied des Hohen Rates ein. "Ich bin fassungslos. Richard Thal, Sie sind ein herausragender Forscher, aber bei der Ehre der Korrektoren, was fällt Ihnen ein. Endlich zeigen Sie Ihr wahres Gesicht. Ein Verräter durch und durch. Blutrünstiger Mord durch Wissenschaft, das ist Valentin Hamm, wie er leibt und lebt. Das muss! Das muss heute ein Ende finden!!"

"Was hätte er wohl gemacht?", fragte ich zweifelnd in mich hinein.

Hammthal setzte bereits zum Seufzen an.

"Seelendämon Hammthal?"

"Valentin?"

Ein bläulicher Schein begann das Verlies hinter mir zu erleuchten. Flammen formten sich auf meinem Rücken. Durchdrangen zögerlich den schwarzen Teer.

"Würdest du mir einen Gefallen erfüllen?"

"Das kommt darauf an."

Aus den zündelnden Flämmchen wurden die mir bekannten kräftigen kobaltblauen Flammen. Die Ketten, die mich hielten, erzitterten. Ein einzelnes Wort entflammte auf meinem Rücken. Ein Wort verewigt in Fleisch und in Geist.

"Als Seelendämon bist du an mich gebunden." Ich starrte ihm direkt in die Augen. "Aber als mein Urgroßvater hast du diese Nation gegründet. Zeig ihnen warum."

Lebe

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< ... >
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< Befragungsraum >

Wilhelm Stark: "Steht darüber etwas in seiner Akte?"

Magnus Leupold: "Worüber genau?"

Wilhelm Stark: "Ein mentales Verlies? Wie soll man sich das vorstellen?"

Magnus Leupold: "Ein begabter blauer Flammenbeherrscher kann in seinem Verstand so ziemlich alles erschaffen und mit der Zeit auch verfestigen. - Hmm, stell dir vor, du würdest dir eine Geschichte ausdenken, um dir etwas merken zu können."

Wilhelm Stark: "Ok."

Magnus Leupold: "Diese Verbildlichung - dieses Vorstellungsvermögen wird durch blaue Flammen zu einem mehr oder weniger realen Ort."

Wilhelm Stark: "Ich wusste, dass so etwas auf andere angewendet werden kann, aber auf sich selbst? Hast du so etwas schonmal gemacht?"

Magnus Leupold: "So? Nein. Aber wenn ich raten müsste, hatte er das auch nicht unbedingt vor. Eine Manifestation seines Fluchtinstinkts, so würde ich es beschreiben."

Wilhelm Stark: "Teufel, durch und durch."

Magnus Leupold: "Hey!"

Wilhelm Stark: "Ja, du auch. Mit dem Verstand sollte man nicht ficken."

Magnus Leupold: "Leid sollte allgemein nicht notwendig sein."

Wilhelm Stark: "Mhm, manche lernen nur durch Schmerz."

Magnus Leupold: "Eine Spirale aus Leid kann nicht die Lösung sein."

Wilhelm Stark: "Hab ich auch nicht behauptet. Wir befinden uns in einer Spirale. Es gibt immer jemanden, der für unser Wohlergehen leiden wird. Jemand, aus dem Profit geschlagen wird. Und wenn diese Profitgier in Gewalt umschlägt, bin ich bereit, Gewalt mit Gewalt zu beantworten. Nur ein Gewaltmonopol kann die Gewalt beenden. Aber um diesen Punkt zu erreichen, braucht es eine Gier, die bereit ist, Andere mit Gewalt niederzuhalten. Und mit dieser Gier wäre es Paradox, das Monopol aufzugeben."

Magnus Leupold: "Ich weiß nicht, was ich davon halten soll, dass du dir gerade zu diesem Thema philosophische Gedanken machst."

Wilhelm Stark: "Du nicht? Das kommt doch schon von Berufswegen. Wir sind das Gewaltmonopol in Sarkorska. Die Gier der führenden Elite."

Magnus Leupold: "Das ist deine Sicht auf die Dinge. Ich fühle mich unserer Verfassung verpflichtet. - Ach weißt, lass uns einfach weitermachen. Das führt zu nichts."

Diese Geschichte schließt an Operation Sublimierung an. Siehe hierfür: https://www.worldanvil.com/community/manuscripts/read/2223665389-midnightplay-operation3A-sublimierung
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Aug 16, 2022 17:21

Ist das spannend!!!